Dr. Peter Grewe En

Chronische Schmerzen

Nachhaltige Therapie bei chronischen Schmerzen im Bewegungssystem

Langanhaltende Schmerzen im Bewegungssystem und Kopfbereich sind sehr häufig vergesellschaftet mit Störungen im Kausystem. Diese können in direktem Zusammenhang mit den Beschwerden im benachbarten Bewegungsapparat stehen oder einen aufrechterhaltenden Einfluss haben auf entferntere Regionen mit Beschwerden. Somit ist es nicht verwunderlich, dass z. Bsp. bei muskulären Beschwerden in der Halswirbelsäule erst durch die Behandlung der Funktionsstörung im cranio-mandibulären System (Kauorgan) die schmerzhaften Verspannungen im Nacken erfolgreich behandelt werden können.

Unser Schmerzmanagement setzt sich aus den folgenden Elemeneten zusammen:

1. Schmerzen verstehen – Wissen über die Schmerzphysiologie reduziert Schmerzen

2. Schmerzen behandeln – Lösen der Fehlfunktionen im Bewegungssystem und im Kauorgan

3. Schmerzfrei und beweglich bleiben – die Bereitschaft neue Bewegungsmuster zu erlernen

zu 1) Auf Grund der Veränderungsmöglichkeiten, die dem Nervensystem und dem Gehirn zur Verfügung stehen, um die Gewebe zu schützen, können wir davon ausgehen, dass anhaltende Schmerzen nicht notwendigerweise den Zustand der Gewebe reflektieren. Wissen über Schmerzphysiologie reduziert das Ausmaß des Gefühls von Bedrohung durch Schmerzen. Eine reduzierte Bedrohung verringert die Aktivität aller vorhandenen Schutzsysteme: das sympathische Nervensystem (Adrenalinverteiler), das hormonelle (Kortisolproduzent) und das motorische System (Bewegungsstrategien). Dies wiederum trägt zur Normailisierung der Immunsystemfunktion bei. Zu verstehen, dass Schmerzprozesse zu einer Schmerzerfahrung führen, kann ein Gefühl von Kontrolle vermitteln. Angst vor Schmerzen oder die Vorahnung von Schmerzen können ausreichen, dass sich die Muskelaktivität auch wenn die Schmerzen nachlassen nicht normalisiert. Es scheint, dass die "Gedankenviren" das System davon abhalten, normal zu verheilen.

zu 2) Bei Patienten mit langanhaltenden Beschwerden im Bewegungssystem steht  nach der Aufklärung über die Schmerzursache zunächst die Schmerzbehandlung im Vordergrund.  Sind die Schmerzen anhaltend kann häufig auf die Einnahme von Schmerzmitteln nicht verzichtet werden.  Das Lösen der schmerzhaften Gewebeblockierungen und Verspannungen im Bindegewebe des Bewegungssystems erfolgt mittels manueller Therapie. Sind Störungen im Kausystem vorhanden, wird zur Harmonisierung der Kaumuskulatur  und Wiederherstellung einer physiologischen Bissrelation ("Bissaufrichtung") eine Therapie mittels passgenauer Aufbissschiene oder eine biofunktionelle Übungstherapie mittels lose sitzendem Biofunktionsregulator (Lose "Schiene") erforderlich. Letztere werden eingesetzt zur Umprogrammierung alter Fehlgewohnheiten der Zunge und Lippen (s. Mundatmung, Zungenpressen, Sprach- und Schluckstörung), oder bei erfolgloser Behandlung mit Aufbisschienen z.B. wenn die alten Gewohnheiten des Pressens bzw. Knirschens  der Zähne nach der Schienentherapie bestehen bleiben. Zur   biofunktionellen Reprogrammierung sind häufig zusätzlich die mund- und körpermotorischen Übungen nach Padovan für eine physiologische Muskelkoordination unverzichtbar.

zu 3) Nach der Schmerzbehandlung, Muskelentspannung und Wiederherstellung der Bewegungsfunktion mittels Manueller Medizin ist Stabilisieren angesagt. Dies verlangt Übung vom Patienten und kompetente Kontrolle durch Therapeuten. Oft ist gezielter Muskelaufbau die beste Lösung. Sind Fehlhaltungen erkannt, kann der Betroffene mit Verständnis und Übung zu neuen Bewegungsmustern "umprogrammiert" werden. Das Wichtigste dabei: die Bereitschaft, neue Bewegungsmuster zu erlernen. Dabei sind Lernbereitschaft und konsequente Übung im Alltag über 6-10 Wochen notwendig, um eine neurologische Reorganisation im Zentralnervensystem zu erreichen.  In dieser Zeit wird dem Gehrin Gelegenheit gegeben, die stabilisierende tiefe Muskulatur dér Wirbelsäule, des Bauches und des Beckenbodens wieder wahrzunehmen. Bei chronischen Schmerzpatienten wird diese tiefe Muskulatur bei den Bewegungsabläufen des Alltags vom Zentralnervensystem nicht angesteuert, ausgelassen oder nur undifferenziert angesprochen. Die als Ausweichstrategie angeeigneten weniger kontrollierten Bewegungsmuster  sind einmal gelernt, schwer wieder zu verlernen. Nur wenn das Zentralnervensystem wieder neu lernt vor jeder Bewegung unbewußt und gezielt die tiefen Muskeln anzuschalten (Automation), kann das "innere Muskelkorsett" die nötige Stabilität für die Wirbelsäule bei globalen und kraftvollen Bewegungsabläufen liefern (Gwen Jull, 2001).

Die meisten Beschwerden im Bewegungssystem werden durch muskuläre Fehlfunktionen und nervale Fehlkoordinationen verursacht und aufrechterhalten. Da die Muskulatur mittels bindegewebiger Strukturen im gesamten Körper wie bei einem Netz miteinander verbunden ist, haben chronische Schmerzpatienten im Laufe der Jahre nicht nur dort Verspannungen, Fehlfunktionen oder Beschwerden wo der Schmerz das erste Mal auftrat sondern auch in weiter entfernteren Regionen des Körpers. Ziel der Behandlung bei chronischen Schmerzpatienten ist es somit, solche bindegewebigen Verkettungen zu erkennen und diese auf möglichst allen betroffenen Ebenen zu behandeln.

Weil wir wissen, dass die Fehlfunktionen der Muskulatur eine Schlüsselrolle spielen, wird unmittelbar vor der Bestimmung der Unterkieferbisslage für die Schienenherstellung eine Entspannung der Kaumuskulatur eingeleitet. Mittels einer speziellen Impulstherapie der Kaumuskulatur harmonisiert und korrigiert sich die Fehlbisslage selbstständig. Diese rein muskulär harmonisierte Bisslage zeigt häufig nicht nur eine Rechts-Links- und Vor-Zurück-Verschiebung sondern auch eine vertikale Bisslageänderung des Unterkiefers zum Oberkiefer. Eine muskulär ausgeglichene Bisslage ist nicht nur eine Hauptvorraussetung für die Entspannung im Kauorgan sondern auch für die erfolgreiche Behandlung der benachbarten Strukturen des Kopf- und Nackenbereiches und weiter entfernterer Regionen des Bewegungssystem.

Somit setzt sich unser Schmerzmanagment im Bewegungsapparat aus passiven und aktiven Elementen zusammen. Die manuelle Therapie (passive Elemente) soll die Strukturen schmerzfrei und damit wieder funktionstüchtig machen. Die Grundlage für eine dauerhafte Stabilisierung der einzelnen Wirbelsegmente stellt das zentral gesteuerte exakt aufeinander abgestimmte Zusammenspiel der tiefen kurzen und oberflächlichen langen Muskulatur dar. Die aktiven Koordinationsübungen sind ein unverzichtbarer Bestandteil bei der Behandlung chronischer Schmerzpatienten. Nur durch das rechtzeitige Anspringen bzw. "Anschnallen" der tiefen lokalen Stabilisatoren vor jeder globalen Bewegung werden die einzelnen Segmente der Wirbelsäule bei den alltäglichen Belastungen dauerhaft geschützt.

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